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Das Recht zu schweigen "Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, also ein Schweigerecht hat, gehört zu den anerkannten Prinzipien des Strafprozesses. Die Anerkennung dieses Schweigerechts entspricht der Achtung vor der Menschenwürde. Sie schützt das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten und ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Das Gesetz, das den Vernehmenden verpflichtet, auf das Recht, nicht auszusagen, hinzuweisen, geht davon aus, dass ein solcher Hinweis zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten notwendig ist, weil das Schweigerecht nicht allgemein bekannt ist. Deshalb sichert der Hinweis auf das Schweigerecht ein faires Verfahren. Der Beschuldigte ist bei der ersten Vernehmung durch die Polizei, verglichen mit den Verhältnissen in der Hauptverhandlung, nicht in geringerem, sondern eher in grösserem Maße der Gefahr ausgesetzt, sich unbedacht selbst zu belasten. Während der Angeklagte sich auf sein Aussageverhalten in der Hauptverhandlung in Ruhe vorbereiten und dabei Rechtsrat einholen kann, überdies in der Hauptverhandlung oft einen Verteidiger zur Seite hat, trifft die erste Vernehmung durch die Polizei den Beschuldigten meist unvorbereitet, ohne Ratgeber und auch sonst von der vertrauten Umgebung abgeschnitten, nicht selten auch durch die Ereignisse verwirrt und durch die ungewohnte Umgebung bedrückt oder verängstigt. In der Hauptverhandlung gemachte Angaben kann der Angeklagte, auch mit Hilfe seines Verteidigers, zurechtrücken, während die ersten Angaben bei der Polizei oft solcher Einwirkungsmöglichkeit entzogen sind und selbst bei einer Änderung des Aussageverhaltens eine faktische Wirkung entfalten, die für den weiteren Verlauf des Verfahrens von erheblicher Bedeutung ist." Diese Erkenntnisse entnehmen wir nicht einem Handbuch für die Strafverteidigung, sondern einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27.02.1992 - 5 StR 190/91 - (BGHSt 38, 214, 220-222). Die Strafprozessordnung (§ 136 Abs. 1 StPO) formuliert die Pflicht zur Information des Beschuldigten über seine Rechte - auch über das Schweigerecht - so: Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, daß er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden. Alles klar? Wenn nicht, hilft Ihnen vielleicht die Beschuldigtenbelehrung, die von der Polizei in Nordrhein-Westfalen im Formular "Beschuldigtenvernehmung Personalien 10/20 NRW 2305" verwendet wird: Ich wurde auf folgende Rechte als Beschuldigter hingewiesen: · Es steht mir nach dem Gesetz frei, mich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. · Ich habe die Möglichkeit, auch schon vor dieser Vernehmung einen von mir zu wählenden Verteidiger zu befragen und zu meiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen zu beantragen. · Ich kann die Polizei bitten, mir Informationen zur Verfügung zu stellen, damit ich einen Verteidiger, zum Beispiel über bestehende anwaltliche Notdienste, kontaktieren kann. · Mein Verteidiger kann Einsicht in die Ermittlungsakten beantragen. · Soweit ich keinen Verteidiger habe, kann ich über die zuständige Staatsanwaltschaft beantragen, Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erhalten. · Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 140 Abs. 1 und 2 der Strafprozessordnung (StPO) vorliegen, kann ich die Bestellung eines Pflichtverteidigers beanspruchen. Ich kann die Polizei bitten, mir die Regelungen des § 140 Absatz 1 und 2 StPO zur Verfügung zu stellen. · Im Zusammenhang mit den Regelungen zur Pflichtverteidigung bin ich auf die Kostenfolge § 465 StPO hingewiesen worden. Insbesondere sind nach § 465 Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens insoweit von mir zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer ich verurteilt werde oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen mich angeordnet wird. Unter Verurteilung fallen auch eine Verwarnung mit Strafvorbehalt sowie ein Absehen von Strafe. · Wenn ich der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig oder hör- oder sprachbehindert bin, kann ich im Verfahren die Hinzuziehung eines Dolmetschers verlangen. Der Dolmetscher ist für mich unentgeltlich. · Ich habe noch vor einer Befragung durch die Polizei, eine andere Strafverfolgungsbehörde oder Justizbehörde, ab der Durchführung von Ermittlungs- oder anderen Beweiserhebungshandlungen durch Ermittlungs- oder andere zuständige Behörden gem. Artikel 3 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie (EU) 2013/48, wenn mir die Freiheit entzogen ist oder vor der Durchführung einer Identifizierungsgegenüberstellung, Vernehmungsgegenüberstellung oder Tatrekonstruktion gem. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie (EU) 2016/1919, Anspruch auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und Anspruch auf Bewilligung einer Prozesskostenhilfe. Ich habe das Recht, bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zu stellen. · Ferner wurde ich darauf hingewiesen, dass bei Fragen nach Vornamen, Familien-, Geburtsnamen, nach Ort und Tag der Geburt, nach dem Familienstand, dem Beruf, dem Wohnort, der Wohnung und der Staatsangehörigkeit die Pflicht zur vollständigen und richtigen Beantwortung besteht und die Verletzung dieser Pflicht nach § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz mit Geldbuße bedroht ist. Jetzt alles klar? Falls nicht: wenn Sie dann noch gebeten werden, zu unterschreiben Ich habe die Belehrung verstanden, dürfen Sie durchaus in Betracht ziehen, dass Sie durch Ihre Unterschrift eine Unwahrheit erklären würden. Das sollten Sie keinesfalls tun. Und wenn Sie nach alledem noch das Wichtigste dieser Rechtsbelehrung in Erinnerung haben: Sie haben das Recht zu schweigen, dann machen Sie von diesem Recht Gebrauch. Karl Engels - Rechtsanwalt |