Rechtsanwalt Karl Engels Archiv
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte Anlass, einer Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden das bundesdeutsche Rechtsmittelsystem zu erklären:

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.03.2015 - 1 Ws 51/15

"Es ist das verfassungsrechtlich verbürgte Recht eines jeden Angeklagten, auch bei einer erfolgten Außervollzugsetzung eines Haftbefehls die eigentliche Haftgrundlage durch Erhebung einer Haftbeschwerde in Frage zu stellen, weshalb die bloße Wahrnehmung dieses Rechts nicht zu seinem Nachteil gereichen darf."


Tenor (auszugsweise):

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 25. Februar 2015 aufgehoben.

Der Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 16. Februar 2015, mit welchem der Haftbefehl des Amtsgerichts Baden-Baden vom 29. Juli 2014 (9 Gs 657/14), aufrechterhalten nach Maßgabe des Beschlusses des Amtsgerichts Baden-Baden vom 10. September 2014 (5 Ls 306 Js 10858/13), gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug gesetzt wurde, wird unter Aufrechterhaltung der dort erteilten Auflagen und Weisungen mit folgender Ergänzung wieder in Kraft gesetzt:

Der Angeklagte hat sich unmittelbar nach seiner Haftentlassung am 06. März 2015 in die Fachklinik (...) zu begeben und sich dort zur Aufnahme entsprechend des Bescheids dieser Einrichtung vom 04.02.2015 vorzustellen, wobei die Fachklinik gebeten wird, den Angeklagten trotz der von ihm unverschuldeten Säumnis zur Behandlung aufzunehmen.

Die sofortige Freilassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft wird angeordnet.

Gründe (auszugsweise):

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.02.2015 hat die 6. Kleine Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden ihren Haftverschonungsbeschluss vom 16.02.2015 auf die Haftbeschwerde des Verteidigers aufgehoben und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Diese Entscheidung war schon deshalb aufzuheben, weil die Begründung des Strafkammer, allein aus der Einlegung des Rechtsmittels ergebe sich die fehlende Bereitschaft des Angeklagten zum Antritt der ihm auferlegten Aufnahme einer Suchtentwöhnungsbehandlung in der Fachklinik (...), nicht ansatzweise nachvollziehbar ist und auf ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des bundesdeutschen Rechtsmittelsystems hindeutet.

Es ist nämlich das verfassungsrechtlich verbürgte Recht eines jeden Angeklagten, auch bei einer erfolgten Außervollzugsetzung eines Haftbefehls die eigentliche Haftgrundlage durch Erhebung einer Haftbeschwerde in Frage zu stellen, weshalb die bloße Wahrnehmung dieses Rechts nicht zu seinem Nachteil gereichen darf. Tatsachliche Anhaltspunkte, auf welche sich die Annahme der fehlenden Bereitschaft des Angeklagten zur Aufnahme einer Suchtbehandlung in der Fachklinik (...) gründen könnten und welche eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, sind jedoch in der angefochtener Entscheidung nicht dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich.

(Die Entscheidung ist veröffentlicht bei burhoff.de)